sagmal.de:
Wie bist Du auf das doch mittlerweile sehr aktuelle Thema „Angst-
und Panikattacken“ gekommen?
Marie
van Klant: Ich war jahrelang selbst betroffen. Im Alter von
17 Jahren, zwei Jahre nach dem Tod meiner Mutter, erlebte ich
meine erste heftige Panikattacke. Ab diesem Zeitpunkt begleiteten
mich Angst und Panik über Jahre. Anfangs nur sporadisch, dann
aber gewaltig. Das Ende vom Lied waren generalisierte Angststörung
mit Panikattacken, Phobien und die berühmte „Angst vor der Angst“
vor ca. 4 Jahren. In einer meiner ersten Therapiestunden sagte
ich dann mal salopp: „Über mein Leben und mein Leben mit der Angst
könnte ich ein Buch schreiben.“ Nichts ahnend, dass es dann tatsächlich
dazu kommt. Irgendwann, während der heftigsten Phase und von Panikattacken
geschüttelt, tippte ich den Titel ein. Selbstverständlich hatte
ich auch Angst davor, was mich beim Schreiben wohl erwarten würde,
denn ich bin ja gedanklich in die Situationen, die mir Angst bereiteten
gegangen. Der Anfang war wirklich schwierig. Ab und zu musste
ich längere Schreibpausen einlegen, um das Geschriebene für mich
selbst aufzuarbeiten. Eigentlich sollte es nur für mich und vielleicht
einen kleinen Bekanntenkreis sein, damit sie mich in den Situationen
der Angst und der Panik vielleicht besser verstehen könnten. Ich
wollte mich nicht wegen meiner Angst schämen müssen und mich verstecken.
Nein, ich wollte, dass die Leute begreifen, dass ich trotz der
Angst doch auch ein ganz normaler Mensch bin. Am Ende hat es auch
mir sehr geholfen, mich mit meinen Ängsten, Sorgen und Problemen
so intensiv auseinanderzusetzen.
sagmal.de:
Der Titel „Die Angst ist ein Arschloch“ ist etwas „ungewöhnlich“.
Was hat Dich inspiriert?
Marie
van Klant: Sicher, der Titel mag manch einem sehr anrüchig
erscheinen, jedenfalls denjenigen, der sich nicht mit Angst und
Panik herumplagen muss. Er trifft jedoch den Nagel auf den Kopf
und ich bin froh, dass der Titel so erschienen ist, wie ich ihn
vorgegeben habe. Ich habe das Buch – oder besser das Manuskript
begonnen zu schreiben, als ich noch unter sehr heftigen Panikattacken
litt. Meine Wut, Verzweiflung, Hilf- und Aussichtslosigkeit in
diesen Momenten ließen den Titel entstehen. Wer unter Angststörungen
und Panikattacken leidet, oder wer das Buch liest, der wird den
Titel ganz sicher verstehen.
sagmal.de:
Wie lange hat es gedauert, bis das Manuskript fertig gestellt
war?
Marie
van Klant: Drei Jahre. Ich habe mit dem Schreiben begonnen
und bin immer und immer wieder in die Situationen gegangen, die
mir fürchterliche Angst machten. Situationen, die ich verdrängt
habe und vor denen ich früher geflüchtet wäre. Aber, ich wollte
meine Angst verstehen, begreifen und besiegen. Nachdenken über
das was war und wie die Zukunft aussehen soll. Ob es mir tatsächlich
gelingen würde, das stand auf einem ganz anderen Blatt Papier.
Mitten im Manuskript hat mich dann die Kraft verlassen. Ich habe
es für anderthalb Jahre beiseitegelegt. Eine gute Freundin hat
sich das Teilmanuskript durchgelesen und mich ermutigt, es doch
bitte zu Ende zu schreiben und zu veröffentlichen. Also krempelte
ich wieder mutig die Arme hoch und setzte mich mit meinen Problemen
auseinander – bis zum bitteren Ende. Genau drei Jahre waren um.
Anschließend bin ich auf Verlagssuche mit dem Gedanken gegangen,
dass mir niemand das Manuskript abnehmen würde. Manchmal täuscht
man sich. Bis zum Erscheinen des Buches verging noch mal ein Jahr.
Wie man erkennen kann, ist das Thema auch heute noch sehr gefragt.
sagmal.de:
Depressionen, Burn-Out-Syndrome, Angststörungen und psych. Erkrankungen
sind auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen erkranken daran. Findest
du als Autorin, dass diesen Erkrankten genug geholfen wird?
Marie
van Klant: Jein. Es wird sich auf jeden sehr Fall bemüht.
Hier sehe ich das Problem, dass Kliniken auf längere Zeit ausgebucht
und Psychologentermine nicht auf die Schnelle zu bekommen sind.
Meiner Meinung nach, aufgrund der rapide steigenden Vielzahl der
Erkrankten. Die Krankenkassen sind bereit zu helfen und jeder
Arzt. Ich habe mich gut aufgehoben gefühlt in der Therapie, in
der Reha und auch bei meiner Krankenkasse. Ihnen allen gilt an
dieser Stelle ausdrücklich mein ganz besonderer Dank. Es hat sich
gelohnt – für mich auf jeden Fall. Ich habe viel über dieses Krankheitsbild
gelernt und umgesetzt. Der eigene Wille und die Bereitschaft an
sich selbst zu arbeiten sind jedoch sehr wichtig, wenn man sich
von Angst und Panik lösen möchte. Hier nehme ich schwere Schicksalsschläge
und schwere, unheilbare Krankheiten heraus. Es gibt unberechtigte
Ängste, wie auch Ängste mit Daseinsberechtigung.
sagmal.de:
Was erwartet den betroffenen Leser?
Marie
van Klant: Ein sehr ehrliches Buch und eine Lebensgeschichte,
mit der wohl kaum jemand gern in der Öffentlichkeit flanieren
gehen würde. Ein Buch über meine Wege in die Angst und meine Wege
aus der Angst. Der Leser wird vom ersten bis zum letzten Augenblick
des Buches ganz vertrauensvoll an die Hand genommen. Ich weine
mit dem Leser und wir lachen gemeinsam. Eine gewisse Art Humor
bleibt dem Leser nicht verborgen, ohne dass die Ernsthaftigkeit
des Themas dabei verloren geht. Ich reiche eine wohltuende und
warme Hand. Ich baue Vertrauen auf und weiß genau, wie der Leser
sich fühlt und dass er sich sicher und teilweise in meinen Zeilen
wieder erkennt. Gern möchte ich ihm vermitteln, dass er nicht
allein ist mit seinen Ängsten und Sorgen und dass man das Leben
im Jetzt und im Heute leben sollte. Die Vergangenheit können wir
alle nicht mehr ändern, aber die Zukunft. Ein bisschen kann jeder
sein Leben selbst bestimmen. Das Buch regt zum Nachdenken an und
der Leser erkennt, dass man sich von Angst und Panik befreien
kann. Es ist kein wissenschaftliches Werk, sondern ein Buch von
einer Betroffenen, die der Angst mittlerweile die Stirn bietet
und wieder ein „normales“ Leben führen kann. Ein kleiner Ratgeber
für unzählige Betroffene und allemal interessant für Angehörige.
sagmal.de:
Wie gehst Du mit negativer Kritik um?
Marie
van Klant: Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass ein Buch
nicht jedem gefallen wird und kann. Darauf bin ich eingestellt.
Selbst Bestseller haben ihre Gegner. Negativ-Kritik muss nicht
immer negativ sein, dafür gibt es genügend Beispiele. Es gibt
Bücher, die sogar durch negative Kritik in den Verkaufsrängen
gestiegen sind. Konstruktive Kritik wird immer gern angenommen.
sagmal.de:
Gehst Du auf Lesereisen und wenn ja => wie reagieren die Menschen
auf dieses doch sehr persönliche Thema?
Marie
van Klant: Ich habe im Juni 2011 eine erste selbst organisierte
Lesung im Schwarzwald gegeben. Weitere sollen auf jeden Fall folgen.
Ganz bewusst habe ich mir einen Ort ausgesucht, an dem ich auf
Betroffene treffe. Die Lesung war öffentlich, so dass auch Nichtbetroffene
dieser Lesung beiwohnen konnten. Ich möchte, dass das Tabu gebrochen
wird und Betroffene nicht lächerlich gemacht oder schief angeschaut
werden. Die Lesung war sehr gut besucht und wirklich emotional.
Es war ganz still im Raum. Man hätte wohl eine Stecknadel fallen
hören können. Sehr bewegend, auch für mich. Die Leute sind wirklich
froh, dass das Thema auf den Tisch kommt. Kopfnicken, Zustimmung,
Interesse am Thema und vielleicht eine Erwartungshaltung der Zuhörer
an mein Buch ließen diese sehr emotionale Lesung ein Erfolg werden.
Es war jemand da, der über aktuelle Probleme spricht – in der
Öffentlichkeit und ohne sich zu verstecken. Dankbarkeit und Beifall
waren mein Lohn.
sagmal.de:
Du hast auch Gedichte geschrieben. Sollen diese in einem Buch
erscheinen?
Marie
van Klant: Nein. Ich glaube der Markt ist mit Lyrik überschwemmt.
Die Gedichte die ich schreibe sind eher kleinere Geschichten,
die etwas aussagen sollen. Ein bisschen Fantasie, ein bisschen
Magie und ja, auch immer ein Hauch von Realität. Nach und nach
werde ich sie auf meiner Homepage www.marievanklant.de veröffentlichen.
Das Geschriebene sollte nicht in einer Schublade verstauben. Es
sind meine Gedanken zu ganz bestimmten Themen, die mich und sicher
auch andere bewegen.
sagmal.de:
Erwarten den Leser weitere Bücher von Dir? Wenn ja, in welchen
Themen?
Marie
van Klant: Ja. Das nächste Thema wird noch einmal in Richtung
„angewandte Psychologie“ gehen. Ich möchte ein wenig an das Angstbuch
anknüpfen. Diese Tabu-Themen sind mir sehr wichtig. Ein anderes
Manuskript ist auch schon begonnen, aber darüber möchte ich noch
nichts verraten … ;-). Ich bräuchte ein bisschen mehr Zeit, um
mich um die begonnenen Manuskripte intensiv zu kümmern. Themen
für weitere Bücher hätte ich genügend.
sagmal.de:
Was kann man als Angehöriger tun, um Angst und Panik besser
zu verstehen?
Marie
van Klant: Als Angehöriger kann man sich informieren, damit
das Verständnis für dieses Krankheitsbild wächst und nicht auf
der Strecke bleibt. Betroffene können kaum mit ihrer Krankheit
umgehen oder sie verstehen. Wie sollen das dann Angehörige oder
Nicht-Betroffene begreifen? Es gibt genügend Literatur. Auch das
Internet bietet hier bereits breit gefächerte Möglichkeiten. Vielleicht
sollten Angehörige auch mal in Foren schauen, damit sie wissen,
wie es Betroffenen ergeht. Damit sind sie nicht allein. Wegschauen
und Verdrängung wären schlechte Ratgeber für beide Seiten. Damit
ist niemandem geholfen. Übrigens möchte ich in diesem Zusammenhang
auch auf das Forum auf meiner Homepage verweisen, in dem Angehörige
gern Fragen stellen und sich austauschen können. Es kann sich
dort mit einem „Nick-Namen“ eingeloggt werden, damit die Persönlichkeit
und die Privatsphäre geschützt bleiben. Es sollte nicht vergessen
werden, dass jeder davon betroffen werden kann. Niemand möchte
mit und in Angst oder mit einer Depression durchs Leben gehen
müssen. Leider reden die Menschen auch zu wenig über ihre Probleme.
Wenn, dann meistens in der Therapie oder in Selbsthilfeforen,
so dass die Themen nicht an die Oberfläche gelangen. Einfach nur
aus Scham und Peinlichkeit und Angst davor, von der Allgemeinheit
abgestempelt zu werden. Die Fassade soll nicht bröckeln. Mit einer
Schwäche ist man angreifbar und passt leider nicht in die heutige
Gesellschaft. Genau hier entsteht bereits ein Druckpunkt, der
es Betroffenen nicht einfach macht, offen über ihre Erkrankung
zu reden. Nicht selten stößt man auf Unverständnis. Es muss unbedingt
Aufklärung betrieben werden, damit diese Erkrankungen kein falsches
Bild ergeben. Meistens sieht man den Menschen ihre Erkrankung
äußerlich nicht an. Ihre innere Zerrissenheit und seelischen Qualen,
Sorgen, Probleme, Schmerzen und Ängste behalten sie für sich,
oder sie vertrauen sich nur Ihresgleichen oder Ärzten und Psychologen
an. So werden diese Themen inkognito behandelt und die Öffentlichkeit
bleibt verschont. Der Umkehreffekt ist Unverständnis. Nach außen
immer Stärke demonstrieren und innerlich längst ein Häufchen Elend
sein, das „Spiel“ wird am Ende niemand gewinnen. Ein Spruch von
mir lautet: "Derjenige, der uns heute belächelt könnte morgen
schon ein neuer Angstpatient sein." Die Themen verlangen unbedingte
Aufklärung in der Öffentlichkeit, damit Betroffene sich nicht
„verstecken“ müssen und sich wie Aussätzige fühlen. Hier sollte
unbedingt und dringend etwas geschehen!!! Es kann nicht genug
aufgeklärt werden, es muss …! Die Zahlen sprechen bereits für
sich!!!
sagmal.de:
Die Welt der Literatur ist „Neuland“ für Dich. Wie empfindest
Du sie?
Marie
van Klant: Eindeutig „hoch interessant“. Seitdem mein „Angst-Buch“
auf dem Markt ist, beschäftige ich mich sehr intensiv mit Themen,
über die ich vorher nicht nachgedacht habe. Es freut mich sehr,
Menschen kennenzulernen, die bereits „Großes“ erreicht haben.
Ich bewundere sie fast. Das Tolle daran ist, dass man immer mit
Hilfe rechnen kann. So konnte ich bereits wichtige Dinge lernen
und diese auch umsetzen. Als „Laie“ geht man doch sehr unbedarft
an ein Werk. Wichtig ist, sich immer wieder zu informieren und
nachzufragen.
sagmal.de:
Was wünschst Du den Lesern?
Marie
van Klant: Ich wünsche allen Angstpatienten und allen Menschen,
die unter ihrer Psyche leiden, dass sie einen Weg aus ihrer Krankheit
finden. Es ist immer besser etwas zu tun, als darauf zu warten,
dass etwas geschieht. Manches hat man selbst in der Hand. Vielleicht
sollte man das Leben ein bisschen gelassener betrachten. Man kann
nicht alles festhalten. Dafür sind wir auch nicht auf dieser Welt.
Das wird zu anstrengend und raubt uns kostbare Zeit, die wir besser
nutzen sollten. Es wäre wunderbar, wenn Neid und Hass endlich
wieder aus unserem Leben verschwinden würden. Vielleicht denkt
jeder Einzelne einmal darüber nach. Ich bin mir sicher, dass es
uns allen mit einem freundlichen Lächeln besser gehen würde.
sagmal.de:
Noch einen Schlusssatz?
Marie
van Klant: Ich bedanke mich recht herzlich für das Interesse
an dem „brisanten Thema“ und an meinem Buch.
Das
Interview wurde am 7.8.2011 geführt. Wir danken Marie van Klant
für die Beantwortung unserer Fragen.
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